Edition Bauwirtschaft

von Prof. Dr. Bernd Witthaus



SF - Bau

Die Anfänge des Schlüsselfertigen Bauens - soweit diese Sparte überhaupt aufgrund ihres Bauvolumens eine Bedeutung bekommen hat - reichen in die sechziger Jahre zurück. Denkt man an die sogenannten Turnkey - Projekte des Auslandes, so wurde in großem, voluminösem Stil sogar erst im Ausland gebaut, ehe diese Form des Baumanagements auch im Inland Einzug hielt und einen gewaltigen, progressiven Wachstumsverlauf nahm. Bei der Eiffage Infra-Hochbau GmbH, Münster, hat sich diese Entwicklung seit Jahrzehnten im Inland und im Ausland weitgehend gleichzeitig und sehr erfolgreich vollzogen.


Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts ordnete man schlüsselfertige Bauprojekte gedanklich automatisch dem Hochbau zu, und so soll die Darstellung der Grobstruktur dieser Sparte im folgenden verstanden werden, obwohl inzwischen auch Tiefbauprojekte über die GÜ- oder GU - Leistung schlüsselfertig angeboten und ausgeführt werden. Das schlüsselfertige Bauen, also die komplette Herstellung eines Bauwerkes durch Roh- und Ausbaugewerke "aus einer Hand", stellt einen der größten Strukturwandel dar, den die Bauwirtschaft in ihrer Geschichte erlebt hat. Hiervon betroffen waren im wesentlichen folgende Leistungsträger des Bauens: Architekten Rohbauunternehmen Fachgewerksunternehmen (Nachunternehmer) Fertigteilwerke Sonstige Dienstleister Die hierzu zählenden Unternehmen waren und sind von den strukturellen Veränderungen sowohl extern, als auch intern tangiert. Extern deshalb, weil sich die Marktstrukturen erheblich verändert haben; intern mussten organisatorische Veränderungen herbeigeführt und verkraftet werden, die für viele Unternehmer des alten traditionellen Schlages nicht immer leicht nachzuvollziehen waren. Architekten Die lange übliche Ausschreibung nach Einzelgewerken verlieh dem Architekten eine herausragende, beratende Stellung gegenüber dem Bauherrn, der ihn beauftragt hatte. Planung, Ausschreibung, Vergabe und Baubetreuung lagen immer in einer (Architekten-) Hand, und auf dieser Denkbasis entstand schließlich die HOAI mit ihren XIV Leistungsphasen (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure). Im Zuge der Weiterentwicklung des Baumanagementes von einzeln ausgeschriebenen Gewerken zum Generalunter- und Generalübernehmer (siehe auch unter "Baustelle") verlor der Architekt oft mehr an Bedeutung als ihm lieb war. Dies drückte sich auch in der Rückläufigkeit der Anzahl selbständiger Architekturbüros in den letzten zwanzig Jahren deutlich aus. Mit der Entwicklung zum GU gingen z.B. die Ausschreibungs- und Vergabeleistungen vielfach für den Architekten verloren, denn neben dem erhöhten Risiko der Haftung des GU für die Nachunternehmerleistungen stand der Vergabegewinn aus der Vergabe von Nachunternehmerleistungen als Positivum zu Buch. Auch die Leistungen in der Bauausführungsphase wurden durch die genannten Entwicklungen beschnitten, denn mehr und mehr entwickelten sich Projektsteuerungsunternehmen, die nun einen großen Teil der Aufgaben des Architekten übernahmen. Rohbauunternehmen Die Leistungen eines Rohbauunternehmens am gesamten Bauvolumen betragen in der Regel etwa 30 - 40 % des Gesamtvolumens, abgesehen von komplexen Bauwerken oder Sonderbauwerken. Dieser hohe Rohbauanteil führte dazu, dass vorwiegend Rohbauunternehmen die Generalunternehmer- später auch die Generalübernehmerfunktion einnahmen, obwohl z.B. der Anteil der technischen Gebäudeausrüstung in einem Bauwerk auch mit ca. 18 - 25 % der gesamten Bausumme veranschlagt werden muß. Einzig und allein der Glaube an die fehlende "Komplettbaukompetenz" der HKL - Branche (Heizung, Klima, Lüftung, Sanitär, Elektro) hat den Rohbauern diese Entwicklung überlassen. Allerdings haben im wesentlich nur die Rohbauunternehmen einen Vorteil aus dieser Entwicklung gezogen, die sich auch zum GU oder GÜ weiterentwickelt haben. Die Unternehmen, die allein beim Rohbau geblieben sind, kämpfen heutzutage besonders heftig mit der Preissituation auf den Baumärkten. Es sind im übrigen meist mittelständische Unternehmen, die inzwischen - neben ausländischen Unternehmen oder Arbeitskräften, die insbesondere nach Inkrafttreten von EU - Recht einen breiten Aktionsradius einnahmen und noch einnehmen - das Rohbaugewerk im Rahmen eines Generalunternehmerauftrages bzw. für einen Generalunternehmer anbieten und ausführen. Jedes Rohbauunternehmen besitzt grundsätzlich die Chance, sich zum GU fort zu entwickeln. Voraussetzung hierfür bilden die Managementkapazität und der unternehmerische Wille, denn die Managementkapazität deckt sowohl die technischen, als auch die kaufmännischen und juristischen Erfordernisse ab. Nachunternehmer Unter Nachunternehmergewerken versteht man z.B. Zimmer-, Dachdecker, Schreiner- oder Malerarbeiten, wobei infolge der heutigen, oft komplexeren Bauvorhaben die Fassadenarbeiten eine besonders bedeutende Rolle spielen. Bei allen GU - oder GÜ - Projekten/Objekten bietet der Nachunternehmer (auch oft Subunternehmer genannt) also nicht mehr beim Architekten, dem Bauherrnvertreter, an, sondern beim GU, der nun seinerseits die Bauherrenfunktion übernommen hat - mit allen Konsequenzen! Je nach Konjunktursituation führt dieser Umstand zu einer Verschärfung der Wettbewerbssituation gegenüber dem früheren Status. Fertigteilwerke In früheren Jahren haben Fertigteilwerke mit ihren Sonderlösungen oft den Rohbau (Stein auf Stein oder Beton in der Schalung) substituiert oder zumindest ergänzt (Stützen, Binder etc.). Fertigdecken, Fertigtreppen oder Fertigkeller sind auch heute aus dem Bauprozeß nicht mehr fort zu denken. Sie werden inzwischen sogar weiter ergänzt durch Fertigwände (z.B. durch das KFS - Fertigbausystem). Substitution oder Ergänzung verfügten meist über einen gute Aussichten im Angebotsstadium, wenn die Bauzeit eine gewisse Vorrangigkeit besaß. Eine verkürzte Bauzeit kann natürlich - je nach Bauobjekt - die Kosten senken und/oder den Ertrag des Objektnutzers durch vorzeitige Fertigstellung und Übergabe erhöhen.Auch bei Fertigteilwerken hat sich der Strukturumbruch im Schlüsselfertigen Bauen nieder geschlagen, z.B. in der veränderten Akquisition. Früher akquirierte der Vertriebsmann (übrigens mit möglichst guter statischer Ausbildung) eines Fertigteilwerkes beim Architekten, indem er z.B. mit dem "7 B" erste Anmutungen zum Projekt auf's Papier warf. Heute sind Architekten nicht mehr so häufig die Anlaufadresse für Akquisiteure, sondern vermehrt die Kalkulatoren und Einkäufer der Generalunternehmer. Dann aber ist in vielen Fällen bereits die Entscheidung über die Ausführungsstruktur der Projekte bereits gefallen. So haben sich aufgrund dieser Entwicklung etliche Fertigteilwerke darauf verlegt, quasi aus dem Werk heraus, schlüsselfertige Bauleistungen als Komplettbaumaßnahme anzubieten. Sie stehen dann im direkten Wettbewerb mit konventionellen Betonbaulösungen (siehe auch Sparte Fertigteilwerk). Sonstige Dienstleister Zu den sonstigen Dienstleistungsunternehmen zählen alle die Unternehmen, welche für den Generalunter- oder -übernehmer eine Leistung im Bauprojekt / Bauobjekt erbingen. Dies sind vornehmlich Planungs- und Architekturbüros, Projektsteuerungsunternehmen, Gutachter (z.B. für Brandschutz) sowie Ingenieurbüros für claim-management (Aufgaben und Funktionen siehe auch auf der "Baustelle"!) Die gesamte Entstehung eines Bauobjektes sowie dessen Ablauf wird am besten transparent durch die HOAI, die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. In der heutigen Zeit umfaßt die Sparte des Schlüsselfertigen Bauens den grössten Volumenanteil des inländischen Baumarktes. Betrachtet man die Sparte von der Akquisitions- also der Nachfrageseite, so zeigen sich vor allem folgende Nachfrager bzw. Auftraggeber von Bauprojekten: Projektentwickler GÜ - Projektentwickler GU - Projektentwickler Private Investoren Institutionelle Anleger Industrielle Auftraggeber Öffentliche Auftraggeber Unter Berücksichtigung dieses heterogenen "Feldes von Auftraggebern" müssen die verschiedensten Akquisitionsstrategien entwickelt werden.

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